Sonntag, 27. Oktober 2019

Floki - Ende und Anfang

Viele Jahre lebte Floki im Schatten seines Bruders. Lange sehnte er sich selbst diese Macht zu besitzen, doch dies war vergangen. Er erinnert sich dennoch genau daran, an die Begegnung, den Kampf, den Verlust und den Neubeginn.
Nicht immer trug er diese Maske. Damals, als sein Bruder Kular ein Druide wurde und Floki selbst nicht einmal für die Druiden auserwählt worden war, begann eine Zeit in der er sich von seiner Familie entfernte. Er hatte den Kampf gemeistert und auch in der Magie war er mächtig, doch trainierte er. Er hatte einen Plan, selbst diesen Ruhm zu ernten, selbst in diesem Licht zu stehen. Zurückgezogen, einsam verbrachte er Tage, Nächte und wiederum Tage nur mit einem Ziel. Einen der drei Großmeister heraus zu fordern und seinen Platz ein zu nehmen. Er würde Eremir herausfordern, denn dieser lebte als Einsiedler. Er müsste ihn nicht nur besiegen, um seinen Titel beanspruchen zu können und letztendlich seinen Platz einzunehmen, er muss ihn vernichten. Würde er scheitern so scheitert er ohne großes Aufsehen, gewinnt er so wüsste es ohnehin die ganze Welt!
Ohne Unterlass forderte der junge Floki andere heraus. Duell um Duell, Kampf um Kampf wurde er besser. Bis der Sommer kam, indem er sich schließlich bereit fühlte Eremir auf zu suchen. Es war leicht den Gerüchten zu folgen und schließlich das entlegene Heim Eremirs zu finden. Eine einsame Hütte, klein, bis auf den winzigen Schornstein gänzlich aus Holz, am Rande eines Wäldchens. Vor ihr verlief eine kaum genutzte, verwachsene Straße, die sich in einer Kurve hinter dem Wäldchen verlor. Kein Rauch stieg auf und auch nichts anderes deutete darauf hin, dass in dieser Hütte jemand wohnt. Floki trug eine leichte Lederrüstung und seine beiden Langdolche. Er war aufgeregt und doch fühlte er sich bereit als er an die dünne Holztür trat und nach kurzem Zögern klopfte.
Keine Antwort. Erneut klopfte er, etwas fester. Ein leichter Wind wehte am Waldrand entlang, ansonsten aber Totenstille. Trotz seiner Überzeugung wagte er es jedoch nicht, in die Hütte ein zu treten und mit der Zeit begann er zu zweifeln. War dies überhaupt das Heim Eremirs oder ist es das noch immer? Stimmten die Gerüchte überhaupt? Er war sich so sicher, als er sich auf den Weg machte, dass er vor Übermut rein gar nichts in Frage stellte. Was sollte er tun falls er Eremir gar nicht fand? 
Doch Floki versuchte sich zu beruhigen. Er dachte nach, er hatte sich vergewissert, dass die Gerüchte von allen Himmelsrichtungen kamen. Dass sie nicht nur aus einem Dorf waren, in dem sich alles herumspricht und jeder nur das erzählt, was er vom Nachbarn gehört hatte. Er hatte aus allen Informationen die er zusammengetragen hatte diesen Ort ausgewählt, weil er sich sicher war und Eremir… Ja natürlich, Eremir wollte natürlich nicht gefunden werden. So beschloss Floki zu warten. So lang wie es nun dauern würde.

Er verbrachte drei Tage und Nächte vor der Hütte. Nichts um ihn herum schien sich zu regen. Nur der Wind erhob sich ab und an, um kurze Zeit später aber wieder ab zu flauen. Doch Floki saß vor der Hütte im Gras des Wegrandes und wartete.
Bis er vorbei fuhr. Ein alter Mann auf einem noch älteren Fuhrwagen, gezogen von einem doch sehr jungen Esel. Beide beachteten sich kaum. Floki blickte kurz nach oben, der alte schaute ihn bloß aus den Augewinkeln heraus an.
Wieder vergingen drei Tage und wieder fuhr der alte vorbei, diesmal drehte er den Kopf nach Floki um, doch fuhr wiederum weiter. Erst bei der dritten Begegnung hielt er an. Als er gerade etwas sagen wollte, stand Floki auf und sprach: “Wollt ihr mich nicht herein bitten, Großmeister Eremir?” Kurzes Erstaunen zeigte sich auf dem Gesicht des alten. “Du hast mich also erkannt.” stellte er fest. “Und? Floki, aus dem Hause ehrwürdiger und mächtiger Druiden, wo du selbst keiner bist. Ich kenne deine Absicht, ich kenne auch den Weg den du dafür gegangen bist.” Nun war Floki es, der erstaunt war. “Dann kennt ihr auch meine Macht!” “Oh ja.” und ein lächeln huschte über Eremirs Gesicht “aber kennst du auch die meine?” Kurz standen sich beide stumm gegenüber, bis Eremir wieder das Wort ergriff: “Aber um auf deine Frage zu antworten: Ja. Komm herein, iss und trink mit mir und ruh dich anschließend aus. Du hast neun Tage hier gewartet und auch ich habe lang nichts mehr zu mir genommen.” Floki nickte, sagte jedoch nichts. “Morgen werden wir deinem Wunsch gerecht, ich kenne eine Lichtung im Wald, dort kannst du tun, was du meinst tun zu müssen.” Wiederum nickte Floki und folgte Eremir anschließend stumm in die Hütte.
Eremir tischte ihm auf, nicht königlich, aber ein dennoch nahrhaftes Mahl und bot ihm ein Bett, bequemer, als es die Hütte von außen versprechen zu mochte. Er selbst verließ die Hütte in der Dämmerung und kehrte erst am nächsten Morgen zurück. Floki erwartete ihn bereits. Stumm nickten sich beide zum Gruß zu und mit einer weisenden Geste lud Eremir Floki ein ihm zu folgen.
Sie gingen eine Weile. Floki achtete nicht auf den Weg oder die Bäume und Sträucher an denen sie vorbei gingen. Seine Gedanken waren darauf gerichtet, was kommen würde. Fragen kreisten in seinem Kopf, deren Antwortlosigkeit er sich nicht ansehen lassen wollte. Wusste Eremir wirklich so viel über ihn? War er wirklich so mächtig, wie seine Art es ihn erscheinen ließ? Doch nun gab es kein zurück mehr…

Die Lichtung, die sie erreichten verdiente wahrhaftig diesen Namen. Frischer Morgentau sammelte sich und tropfte vereinzelt von den Blättern des Baumes, den weiches Gras umsäumte. Mehrere Mannslängen herum hielt der Wald nahezu respektvollen Abstand. Bis auf des Baumes Schatten flutete die Morgensonne diesen wundervollen Anblick. Floki befand diesen Ort als zu schön, um es hier zu tun. 
“Nun” Eremir riss ihn aus seinen Gedanken “hier sind wir.” Floki musterte den alten Großmeister. Er trug weder Waffen, noch Rüstung. Sein schlichter dunkel grauer 
Umhang war zerissen und löchrig. Nichts an ihm sah aus, als stünde er kurz vor einem Kampf. 
Und zu einem Kampf kam es auch nicht. Noch ehe Floki seine Dolche ganz aus der Scheide ziehen konnte, fesselte Eremirs Zauber seine Hände. Doch Floki war darauf gefasst, löste sich aus dieser Klammer und wirbelte mit gezückten Dolchen auf Eremir zu. Dieser beschwor klingen aus reiner Luft, wehrte die Dolche ab und stieß Floki zurück. Eremirs Alter ließ es nicht zu, dass er Floki physisch etwas entgegen setzen konnte. Doch war er einer der mächtigsten Magier, der je gelebt hatte und wusste, wie er sich verteidigen musste. Auch Flokis Bemühungen Magie einzusetzen wusste er ohne Anstrengung abzuwehren, es schien nahezu als wusste er was passiert noch bevor es passierte. Nichts was Floki versuchte brachte ihn näher an sein Ziel. Doch gab Floki nicht auf es zu versuchen. Jeder neue Ansatz eines Angriffs wurde von Eremir direkt im Keim erstickt, bis er schließlich Floki an den Baum in der Mitte der Lichtung schleuderte und ihn dort mit Magie fesselte.
“Floki…”,  begann er, “Ich wusste, das dieser Kampf so enden wird.” Er schüttelte langsam den Kopf, weniger aus Unglauben, mehr aus Trauer, dass es zu diesem Ausgang kommen muss. “Ich bin in Magien vorgedrungen, die kein Mensch vor mir erreicht hat. Ich bin nicht der Mächtigste aller Magier, nein, seine Zeit wird noch kommen. Und du wirst eine Rolle in seiner Geschichte spielen. Ich werde dich am Leben lassen, denn sonst sind wir alle verloren…” Floki wollte etwas erwidern, doch hielt die Magie ihn stumm. Eremir kam langsam auf ihn zu und blickte nun ernst und eindringlich an. “Höre meine Worte und vergiss sie nie wieder! Fünf Könige werden die Schlacht schlagen müssen, Druidenblut wird sie führen, doch wenn das Ende kommt können nur drei Krieger den Sieg bringen: ein verlorener, ein vergessener und eine gefallener. Vergiss meine Worte nicht!”
Eremir sah Floki direkt in die Augen. Als er sicher war das Floki alles verstanden hatte, wendete er seinen Blick von ihm ab. “Es tut mir leid, Floki. Doch du musst diesen Kampf verlieren. Auch ich werde noch eine Rolle spielen.”
Eremir hob die Hände und murmelte Beschwörungen. Floki spürte wie etwas seinen Körper verlässt, doch konnte nicht sagen was es war, auch konnte er sich nicht wehren, da die Fessel noch immer stark war. “Ich habe dir deine Kräfte genommen Floki und sie an diesem Baum gebunden.” Er wies auf den einzelnen Baum auf der Lichtung. “Gehe deinen Weg Floki, er ist dir vorbestimmt, so wie mir der meine.” Mit diesen Worten drehte er sich herum und verließ die Lichtung. Flokis Fesseln lösten sich erst lange nachdem Eremir ihn verlassen hatte. Er sank auf den Boden und ihm wurde Schwarz vor Augen.
Als er erwachte lag er wieder in dem Bett in Hütte Eremirs. Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass es kein Traum war. Er hatte alles verloren, diesen einen Kampf, sein Ziel, letztendlich auch seine Macht. Nichts schien mehr einen Sinn zu machen, jeder Gedanke den er fasste lief ins leere.

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